„Das Kloster Neustadt wird die Menschen auch weiterhin anziehen!“ Davon ist die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer überzeugt. Dreyer hielt beim Festakt anlässlich des 100jährigen Bestehens des Klosters Neustadt die Festansprache.
Dabei erzählte sie zunächst von den eigenen familiären Beziehungen zum Kloster: Der Vater war einst Messdiener, die Schwester hat hier geheiratet, „und sicher wissen viele Neustadter ebensolche Geschichten zu erzählen.“ Kurz ging die Ministerpräsidentin auf die Zeit der Gründung im Jahr 1920 ein, die geprägt war von Not und Priestermangel. Schon damals sei es das Bemühen der Herz-Jesu-Priester gewesen, darauf eine Antwort zu geben, nah bei den Menschen zu sein, sowie den Menschen Emanzipation und Aufstieg durch Bildung zu ermöglichen: „Die Bildung gehört zur DNA der Herz-Jesu-Priester“, so Dreyer.
Mit seinen Angeboten sei das Kloster „immer auf der Höhe der Zeit“ gewesen – und bis heute geblieben. Die Ursache dafür sieht Dreyer im „fröhlichen Pragmatismus“ derer, die hier wirken. Der sei auch in der heutigen Zeit notwendig, mit ihren Herausforderungen wie Migration, Klimawandel, Digitalisierung und Transformation der Gesellschaft. „Ich bin überzeugt, auch in Rheinland-Pfalz können wir diese Herausforderungen nur meistern, wenn alle zusammenwirken“, so die Ministerpräsidentin weiter. Unter „alle“ zählt sie Politik, engagierte Gruppen, aber auch Gewerkschaften und die Kirchen.
Drei Aspekte hinsichtlich der Bedeutung des Klosters Neustadt hob Malu Dreyer anschließend besonders hervor: zunächst die Mitmenschlichkeit und Gastfreundschaft, begründet in der Überzeugung, dass Gott alle Menschen gleichermaßen liebt: „Das ist in der heutigen Zeit nicht mehr selbstverständlich“, bedauert sie und forderte die rund 140 Teilnehmer des Festaktes auf, sich „niemals abzufinden mit rechtem und ausgrenzendem Gedankengut.“
Weiterhin sei das Kloster Neustadt ein erkennbar geistliches Zentrum, ein Ort des gelebten Glaubens, und es zeige, „dass der christliche Glaube lebt“. Als Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken sei es ihr auch wichtig, dass das Kloster Neustadt immer wieder Anstöße gebe, darüber nachzudenken, was Glück und Erfüllung für jede(n) Einzelnen bedeutet.
Und schließlich: „Unsere Zukunft ist offen und kann von uns gestaltet werden.“ Das Kloster Neustadt zeige, dass mit dieser Einstellung die Herausforderungen besser gemeistert werden könnten. Dieser „wunderbare Ort in Rheinland-Pfalz“ sei fähig, „die Welt ein bisschen besser und gerechter“ zu machen.“ Daher: „Bleiben Sie neugierig und wach, und behalten Sie Ihren Mut zu Veränderungen“, wünschte sie den Menschen in diesem „Haus zwischen Stein und Wein.“
„Ein Kloster ist eine Schule Jesu, in der man ein Leben lang lernt, was Nachfolge Jesu bedeutet und wie man beim Aufbau des Reiches Gottes behilflich sein kann“. Auf dieses Zitat von Rainer Kardinal Marx verwies Pater Gerd Hemken SCJ bei der Eröffnung des Festakts.
Er erinnerte daran, was in den letzten 100 Jahren aus dem Nichts im ehemaligen Steinbruch heraus geschaffen und geworden ist: Generationen von Ordensleuten haben hier gebetet, gelebt und gearbeitet. Es wurde viel gebaut, erweitert, umgebaut und immer wieder erneuert. Viele Menschen haben einen Arbeitsplatz gefunden, und viele haben sich ehrenamtlich eingebracht. „Wir haben durch immer neue Angebote versucht, auf die Herausforderungen und Bedürfnisse der Zeit Antworten zu geben und zu vermitteln“, so der Rektor des Klosters weiter, und: „In den letzten 100 Jahren haben viele Menschen von Nah und Fern hier ihre geistliche Heimat gefunden.“
Für das Bistum Speyer lobte Generalvikar Andreas Sturm das Kloster Neustadt an einem Ort, an dem Menschen „querdenken und weiterdenken können – auch gegen den Mainstream“. Mitarbeiter und Arbeitsgruppen aus dem Bistum fühlten sich bei Tagungen, Schulungen und Veranstaltungen im Kloster Neustadt immer „extrem wohl“, denn es biete die Möglichkeit, aus dem Alltag herauszukommen, zur Ruhe zu kommen und über vieles – auch schwierige Themen – nachzudenken.
Darüber hinaus hob Sturm das geistliche Leben hervor, das im Kloster Neustadt großgeschrieben wird – zum Beispiel im Taizé-Gottesdienst oder -Gebet, sowie in den regelmäßigen Gottesdiensten und im Exerzitienangebot. Dabei habe das Kloster eine „Strahlkraft weit über pfarreiliche Strukturen hinaus.“ Als Vertreter des Bistums sei er froh, dass die Herz-Jesu-Priester 2014 mit der Neuorientierung „ein klares Zeichen“ für den Fortbestand gesetzt haben.
Neustadts Oberbürgermeister Marc Weigel erinnerte in seinem Grußwort an den früheren französischen Ministerpräsidenten und Außenminister Robert Schumann, der maßgeblich an der Schaffung der Montanunion – dem Vorläufer der EU – beteiligt war. Während seiner Internierungszeit im Zweiten Weltkrieg in Neustadt har er im Kloster einen Ort der Ruhe und Stärkung gefunden. Schuman habe 1950 gesagt, um den Frieden in Stadt, Land und Welt zu bewahren, brauche es schöpferische Kraft. Die, so der Oberbürgermeister, fänden die Menschen noch heute im Kloster Neustadt, und damit sei es „ein Geschenk für die Stadt“.
Daher unterstützte die Stadt auch eine neue Informationstafel auf dem Klostergelände, die im Anschluss an den Festakt von ihm gemeinsam mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer enthüllt wurde.
Provinzial Pater Heinz Lau SCJ erinnerte an den Auftrag vor 100 Jahren: „Schicken Sie ruhig Herz-Jesu-Priester dahin, die machen etwas draus“, zitierte er. Im Hinblick auf die Anfangsjahre betonte er, dass sich der Orden nach wie vor gegen jede Form von Nationalismus stelle, im Gegenteil: „Wir kennen keine Grenzen!“
Auch in die Debatte, ob die Dehonianer nun konservativ oder progressiv seien, wolle er sich nicht einlassen: „Fragen Sie mich lieber, ob ich glaubwürdig bin!“ Heute wie auch zur Zeit des Ordensgründers P. Leo Dehon sei den Herz-Jesu-Priestern die Verbindung zwischen Mystik und Politik zentrales Anliegen.
Als Vertreter des Generalats der Dehonianer hob Pater Artur Sancki SCJ die Bedeutung des Klosters Neustadt „mit seinen Bildungsangeboten und seinem apostolischen Dienst an der örtlichen Kirche und Gesellschaft“ hervor. Es leiste „einen großen Beitrag für die christlichen Bildung, die für uns Herz-Jesu-Priester, seit Gründung unserer Kongregation an, von grundlegender Bedeutung ist.“
Dr. Christoph Götz, Leiter des Bildungs- und Gästehauses, wagte am Ende einen Blick in die Zukunft. Dabei betonte er, „Bildung und Seelsorge unter dem Anspruch der biblischen Botschaft und des christlichen Menschenbildes sind die wesentlichen Pfeiler, auf denen die Arbeit hier ruht“. Zudem werde das Kloster weiterhin Begegnungsmöglichkeiten eröffnen und Foren anbieten, in denen ein offener Austausch stattfindet.
Dr. Götz verwies auf das „attraktive, gastfreundliche Angebot“ des Klosters für alle, die hier Veranstaltungen und Seminare durchführen, auch für Menschen und Gruppen, „die nicht nach Religion und Kirche fragen“.
Um in Zukunft wirtschaftlich existieren zu können, werde „keineswegs alles beim Alten bleiben können“. Im Gegensteil sei es zwingend notwendig, überholte Traditionen zu überdenken und Neues zu wagen. Als Schritte dahin nannte Götz „neue eigene Veranstaltungsformate und Kooperationen, ein überzeugendes gastronomisches Angebot und ein auch baulich und technisch zeitgemäß ausgestattetes Haus.“
Durch den Festakt führte Moderator Uwe Burkert, der Senderbeauftragte für den privaten Rundfunk im Bistum Speyer. Humorvoll und kenntnisreich kündigte er die Festredner an und fasste das Gesagte zusammen. Für den musikalischen Rahmen sorgten Theologiestundeten aus dem Freiburger Herz-Jesu-Kloster. Den Anfang und Schluss gestalteten die jungen Männer aus Kamerun, Madagaskar und Finnland mit einem Gloria aus West-Kamerun und einem traditionellen Stück aus Süd-Afrika. Zwischen den Redebeiträgen spielten Frater Martti Savijoki SCJ, am Klavier und Liam O´Mahony mit der Posaune klassische Musikstücke. Der Erste ist Theologiestudent aus Finnland und Profimusiker, O´Mahony stammt aus Neustadt und studiert an der Uni Mannheim Musik.